In diesem Artikel möchte ich kurz beschreiben, wie es aus meiner Sicht um den Ubuntu-Desktop bestellt ist und ob er in der Lage ist, kommerzielle Betriebssysteme zu ersetzen. Dies soll keine repräsentative Studie werden, nur ein persönlicher Eindruck des aktuellen Stands, auf dem sich Ubuntu befindet, im mehr oder minder direkten Vergleich mit der kommerziellen Konkurrenz.
1. Installation
Die Installation eines Ubuntu auf einer leeren Festplatte könnte nicht einfacher sein. Der Benutzer muss kaum eine Entscheidung treffen, bis auf die obligatorische Kombination aus Benutzernamen und Kennwort. Während der Installation ist es ratsam, den Rechner an einer aktiven Internetverbindung zu betreiben, damit so einige Updates schon während der Installation eingespielt werden können. Nichtsdestotrotz folgt direkt nach dem ersten Neustart erst mal eine Updateorgie. Diese hält sich im direkten Vergleich zu Windows oder gar Mac OS X aber erfreulich in Grenzen. Nach einem Schub bestehend aus Download und Installation sind alle Updates eingespielt. Befand sich ein Kernelupdate unter den Downloads, muss der Rechner zum Abschluss neu gestartet werden. Installiert man ein Mac OS X Snow Leopard, müssen die Updates in zwei „Schichten“ eingespielt werden, ein Neustart ist auch hier auf jeden Fall erforderlich. Bei Windows 7 sind es gar drei Durchläufe gepaart mit zwei recht zeitfressenden Neustarts. Zugutehalten muss man hier natürlich Windows 7 und Snow Leopard, dass sie schon ein Weilchen länger auf dem Markt sind und so naturgemäß mehr Updates angefallen sind. Auf der anderen Seite aktualisiert Ubuntu nicht nur sich, sondern auch gleich noch jede Anwendung, die vorinstalliert ist. Die Installationsassistenten von OS X und Windows 7 verlangen dem Benutzer aber auch kaum noch Fachkenntnisse ab, sodass sich Ubuntu hier auf einer Stufe mit OS X befindet, Windows aber nur knapp abgeschlagen auf Platz 2 landet. Ein neckisches Feature des OS-X-Installers: mittels der eingebauten Webcam eines jeden Mac wird ein Fotos des Benutzers gemacht und dessen Benutzerprofil zugewiesen. Braucht keiner, nett ist es trotzdem.
2. Vorinstallation
Die standardmäßig vorinstallierte Auswahl an Anwendungen ist nahezu vorbildlich. Beinahe jeder Anwendertyp kann sofort mit der Arbeit beginnen und muss sich nicht erst mühsam beispielsweise ein Office-Paket organisieren. Vorinstalliert sind Standardanwendungen wie ein Office-Paket (namentlich OpenOffice.org), ein Personal-Information-Mananger à la Outlook (Evolution), ein Browser (Firefox), ein Instant-Messenger (Empathy, kompatibel mit ICQ, MSN, Yahoo, GTalk, etc.), eine Bildverwaltung, einige Spiele, ein Texteditor, ein Terminal, eine Anwendung für Windows-RDP-Verbindungen und so weiter. Für den Normalanwender bleiben hier, wenigstens was die Ausstattung angeht, keinerlei Wünsche offen. Der Ubuntu-Desktop sieht nach der Installation sehr aufgeräumt aus, keinerlei Icons auf dem Schreibtisch blockieren die Sicht, alle Anwendungen befinden sich fein säuberlich sortiert im Anwendungen-Menü oben links auf dem Bildschirm. Hier müssen sich Mac OS X und Windows eindeutig hinten anstellen, mit deren Vorinstallation kann man nur bedingt arbeiten. Unter Windows ist nicht mal ein zeitgemäßer Browser vorinstalliert (was ulkigerweise auch für das neue Windows Phone 7 gilt), eine brauchbare E‑Mail-Anwendung findet man auch nicht vor. Unter OS X ist die Lage etwas besser, aber Preise kann Apple hiermit auch nicht gewinnen. Etwas verbessern kann man die Lage, indem man das iLife-Paket, welches sich im Lieferumfang eines jeden Macs befindet, installiert. Jetzt sind wenigstens Anwendungen für die Bildverwaltung, Audioschnitt, Websiteerstellung, etc. installiert. Außerdem muss man den eingebauten Tools von OS X im Schnitt einen deutlich höheren Funktionsumfang bescheinigen. So kann der OS-X-Nutzer (wie sein Ubuntu-nutzender Kollege auch) sofort nach der Installation PDF-Dateien öffnen, Dokumente in PDF-Dateien umwandeln, Fotos rudimentär nachbearbeiten (beschneiden, Sättigung/Helligkeit verändern, etc.), außerdem ist der vorinstallierte Browser einer der modernsten derzeit erhältlichen, hier kann der unter Ubuntu installierte Firefox nicht mithalten. Windows steht hier mal wieder ganz hinten an, die genannten Funktionen sucht man dort vergebens.
3. Softwaresuche, ‑installation und ‑pflege
Hier scheiden sich die Geister. Seit Ubuntu 10.04 gibt es unter Ubuntu das Software Center, seit gestern, also dem 06.01.2011, gibt es unter OS X den Mac App Store. Beide verfolgen den gleichen Ansatz: eine zentrale Anlaufstelle für den Benutzer zu schaffen, wo er sich seine Software aussuchen, ggf. bezahlen und gleich installieren kann, ohne stundenlang Google quälen zu müssen. Ich persönlich finde diesen Ansatz sehr gut, andere wiederum befürchte, insbesondere im Falle von OS X, dass dieser Weg dazu führt, dass andere Wege der Softwareinstallation bald nicht mehr existieren werden. Unter Windows gibt es (meinem Kenntnisstand nach) nichts vergleichbares. Der Windows-User muss sich also nach wie vor als Jäger und Sammler betätigen und sich seine Software mühsam aus den Weiten des Internets zusammenklau(b)en (sorry, das Wortspiel konnte ich mir nicht verkneifen). Während Ubuntu- und Mac-User jetzt also eine zentrale Anlaufstelle für ihre Software haben, sind Windows-Benutzer weiterhin auf dubiose Heft-CDs oder, sofern vorhanden, ihre Fähigkeiten in der Bedienung von Suchmaschinen angewiesen. Während unter Ubuntu der Gedanke konsequent fortgesetzt wurde und über das Software-Center installierte Software auch deinstalliert werden kann, muss der Mac-User hier selbst Hand anlegen. Nach wie vor aber gestaltet sich die Installation und Pflege von Software unter Windows am schwierigsten: setup.exe suchen, herunterladen, auf Viren prüfen, Weiter, Lizenzbedingungen akzeptieren, Weiter, Weiter, Fertigstellen, Verknüpfungen vom Desktop löschen… umständlich. Unter OS X war es bisher so, dass eine Installation darin bestand, das DMG mit der Anwendung herunterzuladen und das Icon in den Anwendungen-Ordner zu ziehen. Genial einfach, einfach genial. Aber suchen musste man die Software, bis gestern, noch selbst. Unter Linux hingegen ist dieses zentrale Softwareverwaltungssystem schon lange Zeit gang und gäbe. Auch die Updates kommen auf diesem Wege. Am wartungsfreundlichsten ist somit der Ubuntu-Desktop, mehr oder minder dicht gefolgt von OS X, Schlusslicht bildet Windows. Wie ich eingangs schon erwähnte, hier scheiden sich die Geister. Manche bevorzugen den Windows-Weg, wieso auch immer… objektiv betrachtet ist es der schwierigste und fehleranfälligste.
4. Innovationen
Tja, die sucht man unter Windows vergebens, machen wir uns nix vor. Damit möchte ich jetzt nicht sagen, dass OS X und Ubuntu vor Innovationen nur so strotzen, Windows kann hier trotzdem nicht Schritt halten. In den letzten Jahren ist der Trend von „ gibt’s nur für Windows“ eindeutig gekippt und vielerorts in das Gegenteil umgeschlagen: „Gibt’s nur für OS X“. Viele kleine Helferlein, die es unter OS X schon längere Zeit gibt, scheinen ihren Weg, auch in Form einer Kopie, nicht auf die Windows-Plattform zu finden. Ich denke hierbei konkret an Projekte wie Alfred App, CloudApp, GrabBox, LittleSnapper, Growl, Dropzone und so weiter. Vom Polishing, also der optischen Finesse der meisten Mac-Applikationen, abgesehen, haben viele dieser Ideen mittlerweile in Form von Open-Source-Projekten ihren Weg zur Linux-Plattform gefunden, Alfred und Growl beispielsweise werden mittlerweile sehr ordentlich unter Ubuntu nachempfunden. Auch die eingebauten innovativen Helfer von OS X wie das Dock, der Dateischnellbetrachter Quick Look oder die äußerst praktische Funktion Exposé haben mittlerweile Pendants unter Linux. Wobei man zum Dock sagen muss, dass Microsoft hier fast das bessere Dock geschaffen hat. Das Grundkonzept von Dock und Taskleiste unterscheidet sich kaum noch, aber die eingebaute Fenstervorschau unter Windows 7 ist ein Schritt, den man bei Apple scheinbar nicht gehen wollte. Was ich bei sehr vielen Fenstern aber sogar verstehen kann. Unpraktisch ist es trotzdem nicht.
5. Gerätetreiber
Noch immer eines der größten Probleme, wenn man auf das freie Betriebssystem setzen möchte. Wer kann, sollte sich noch vor dem Kauf eines Neugeräts, egal ob Desktop-PC oder Notebook, erkundigen, ob eine vollständige Kompatibilität zu Ubuntu gewährleistet ist. Es ist leider auch heute noch nicht selbstverständlich, dass sofort alles Out-of-the-Box läuft und es kann durchaus passieren, dass man Treiber per Hand kompilieren oder wenigstens aufwändig konfigurieren muss. Meiner Erfahrung nach sind die Jungs beim Ubuntu-Projekt aber wirklich schnell. Kauft man kein nagelneues Gerät, welches erst seit Wochen auf dem Markt ist, ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass funktionierende Treiber für die Wunschhardware vorliegen. Mac OS und Windows geht es hier deutlich besser, selbst für Mac OS liefert mittlerweile nahezu jeder Hersteller passende Treiber mit. Eine Ausnahme bildet hier die Situation der Druckertreiber: ich habe es gerade in letzter Zeit immer häufiger erlebt, dass ich Drucker unter Ubuntu mit weniger Aufwand als unter Windows und sogar mit weniger Aufwand als unter OS X installieren konnte, da gerade der Bereich der Laserdrucker mittlerweile scheinbar fast vollständig Linux-kompatibel ist. Der Assistent identifiziert das Gerät, holt den Treiber aus dem Repository, installiert ihn und man kann drucken.
6. Zukunft
Wie ich sie sehe. Ubuntu wird immer mehr zu einem OS-X-Clon, was nicht zwingend etwas schlechtes ist. So kommen auch die, die sich bisher nichts von Apple leisten konnten oder wollten in den Genuss einer hervorragenden Usability und User Experience (Buzzwords, jaja…). Mark Shuttleworth selbst war es schließlich, der seine Entwickler offen dazu anstachelte, bei Apple abzugucken. Was Microsoft zwar auch tut, aber eben unter der Hand. Unbestreitbar ist der Fakt, dass sehr viele der Apple-Features derzeit von der Konkurrenz imitiert werden, was aber wie gesagt nicht unbedingt was schlechtes ist. Microsoft sollte aus meiner Sicht endlich mal den notwendigen Schritt tun und die Basis des Systems austauschen, um die ganzen Altlasten loszuwerden. So, wie Apple es vor rund 10 Jahren getan hat. Zum Abschluss möchte ich noch sagen, dass ich Windows nicht per se als schlecht bezeichne, beileibe nicht, es ist nur einfach schlechter als die Konkurrenz. Dies allein aber macht es noch nicht zu einem schlechten Betriebssystem.
7. Fazit
Wer mit seinem Computer nur Briefe und E‑Mails schreibt, dem kann es herzlich egal sein, welches OS er benutzt, glücklich dürfte er mit allen werden. Ubuntu hat hier ganz klar den Kostenvorteil auf seiner Seite, Windows den Vorteil des gewohnten. Wer gerne Computerspiele spielt, sollte nach wie vor zu Windows greifen, auch wenn sich in diesem Bereich das Blatt bereits zu wenden begonnen hat. Immer mehr auch kommerzielle Titel finden ihren Weg auf den Mac oder in Ubuntu (Linux im Allgemeinen). Wer kreativ ist, mit vielen Daten zu arbeiten hat und gern innovative Software-Ideen vorfinden möchte, sollte derzeit zum Mac greifen, der Workflow ist auf dem Mac derzeit einfach am flüssigsten. Ubuntu holt aber stark auf und Windows hat seit Version 7 auch wieder an Tempo zugelegt, bildet dennoch das Schlusslicht dieses Trios. Die Arbeitsgeschwindigkeit (Wechsel von Anwendungen, Auffinden von Daten, Starten von Programmen, zur Verfügung stellen von Daten wie Screenshots, etc.) die ich unter OS X erreiche, kenne ich derzeit von keinem anderen Betriebssystem, was natürlich eine gewisse Phase der Eingewöhnung voraussetzt. In größeren Betrieben ist Windows natürlich nach wie vor nicht wegzudenken, zu viele Anwendungen, die es nur für Windows gibt und deren Portierung wahnsinnig teuer wäre, ist dort installiert und im Einsatz. Das ist hier aber eher weniger eine Frage des Betriebssystems und dessen Komfort oder Leistungsfähigkeit, wie gern in den bekannten Flame-Wars ins Felde geführt wird, sondern eher eine Geldfrage.
2 Antworten zu “Ubuntu auf dem Desktop”
Ich glaube, das softwareseitig die drei großen Betriebssysteme schon seit einiger Zeit keine allzugroßen qualitativen Unterschiede mehr haben. Das Problem ist eher die Hardware. Ich benutze auch lieber Ubuntu, als z.B. OS X, hab aber trotzdem ein Macbook, weil ich einfach nicht sehe, dass ein anderer (Hardware)hersteller es schafft, ordentliche Hardware zu bauen. Das fängt schon bei der Akkulauzeit an, über die Verarbeitung bis hin zu einem ordentlichen Trackpad. Würde sich Canonical mit einem Hardwarehersteller zusammentun und ein ordentliches Produkt (also Hard- und Software) präsentieren, was man auch im MediaMarkt um die Ecke kaufen könnte, ich wäre sicher, dass Ubuntu eine viel höhere Verbreitung finden würde.
Da kann ich dir nicht widersprechen. Den meisten Leuten dürfte es wirklich egal sein, welches System sie nutzen, hauptsache, ihre Aufgaben können sie damit erledigen.