Die Vorgeschichte: ich bin die letzten dreieinhalb Tage außer Landes gewesen. Zweck des Auslandsaufenthalts war eine Tour durch die Schweiz. Stationen waren unter anderem Basel, Bern, Genf und Ascona. In dieser Zeit bin ich rund 2.500 km gefahren, davon den größten Teil der Strecke auf schweizerischem Boden. Aber auch Frankreich, Italien und natürlich Deutschland habe ich befahren. Obwohl natürlich alle vier Länder Autobahnen haben, gibt es doch den einen oder anderen Unterschied. Zum einen ist das natürlich die Beschaffenheit: der Ausbau der italienischen Autobahnen ist der mit Abstand schlechteste aller vier Länder, auf dem dritten Platz folgt Frankreich, auf dem zweiten Deutschland und auf dem ersten die Schweiz. Mit Ausbau meine ich nicht die Größe oder Verteilung des Streckennetzes, sondern eher die Qualität des Straßenbelags. Der Zustand der schweizerischen Autobahnen ist wirklich der beste von allen gewesen.
Der nächste Unterschied, und darauf basiert mein Artikel, ist das Vorhandensein eines generellen Tempolimits und die augenscheinliche Kontrolle der Einhaltung dieser Limits. Vorweg: ich fahre selbst gern schnell. Mein Auto macht rund 220 km/h, was mir auch wirklich Spaß macht. Spaß. Sinnvoll ist es nicht. Es verbrät Sprit (laut Boardcomputer bei Vollgas rund 20 Liter auf 100 Kilometer) und erhöht das Unfallrisiko massiv. Nicht, dass ich mein Auto nicht beherrschen würde, das Problem sind eher die großen Diskrepanzen der auf den Autobahnen fahrenden Fahrzeuge. Wird in Deutschland das Tempolimit aufgehoben, fahren auf dem gleichen Straßenabschnitt Fahrzeuge mit 80, aber auch mit 280 km/h. Das sollen natürlich nur Beispielwerte sein, es gibt auch Fahrzeuge, die die Marke von 300 km/h knacken. Diese tauchen aber eher selten auf. Fahrzeuge, die 250 km/h schaffen sind aber heutzutage sehr häufig anzutreffen. Die Fahrer dieser Fahrzeuge nutzen die Leistung natürlich auch gern aus. Im Gegenzug gibt es genügend Menschen, gerade ältere, die sich nicht trauen, schneller als sagen wir 100 km/h zu fahren. Macht einen Unterschied von 150 km/h. Ziemlich gefährlich. Wenn Opa Ernst mit seinem Polo auf einer zweispurigen Autobahn, ohne in den linken Außenspiegel zu gucken, auf die linke Spur zieht, weil der LKW vor ihm den Berg nicht schafft, von hinten aber Herr Ich-habs-eilig-weg-da mit seinem 3‑Liter-Turbodiesel-Audi-A6 mit 250 Sachen angeschossen kommt, kann es durchaus knallen. Vielleicht nicht unbedingt, weil der Audi nicht rechtzeitig langsamer werden kann, sondern weil Opa Ernst sich aufgrund der urplötzlich im Rückspiegel auftauchenden Xenon-Scheinwerfer so heftig erschreckt, dass er entweder die linke Begrenzung der Autobahn touchiert oder den LKW neben sich rammt. Die Folgen kann sich jeder ausmalen.
In Italien und Frankreich gelten gleichermaßen 130 km/h als absolutes Tempolimit auf den Autobahnen. Die Italiener und Franzosen halten sich auch ungefähr an diese Limits. Sicherlich, es gibt immer wieder Idioten, die meinen, dass Tempolimits nur was für Verlierer wären und überschreiten diese mal um 50 km/h. Das sind aber relativ wenige, was sicherlich mit den hohen Strafen in diesen Ländern zu tun hat. Genaue Zahlen habe ich gerade nicht parat, meine mich aber zu erinnern, ziemlich deftige Bußgelder in einem Artikel im ADAC-Magazin kürzlich gelesen zu haben. In der Schweiz liegt das Tempolimit sogar noch niedriger: 120 km/h sind hier angesagt. Und hier hält sich wirklich jeder dran. Na gut, Ausnahmen gibt’s auch hier, aber die sind deutlich spärlicher gesät als noch in Frankreich und Italien. Interessant ist das regionale Verhalten der Autofahrer. Während die deutschen Schweizer sehr penibel sind, was die Einhaltung der Tempolimits angeht, halten es die romanischen Schweizer damit schon etwas weniger genau. Noch ungenauer scheinen die Tachometer der italienischen Schweizer zu funktionieren. Was sicherlich aber auch mit der Anzahl der Blitzfallen in den jeweiligen Regionen zu tun hat. Logisch. Ich wurde vor einigen Jahren mal mit 18 km/h zu viel in einer Baustelle kurz vor Basel geblitzt, was mich um 180 Schweizer Franken ärmer gemacht hat. Ärgerlich war, dass ich die Übertretung nicht wissentlich begangen hab, ich habe das Schild tatsächlich übersehen. Aber es hilft ja nix zu lamentieren, ich habe die rund 120 Euro bezahlt, so schnell passiert mir das nicht wieder, hoffe ich. Worauf ich hinaus will? Ganz einfach: das Fahren auf der Autobahn in diesen Ländern ist deutlich, deutlich entspannter als es in Deutschland der Fall ist. Auf den italienischen Autobahnen wird mehr gedrängelt als auf den Französischen, auf den Französischen mehr als auf den Schweizerischen. Aber wenn man sich an die 130 respektive 120 km/h hält fährt man beinahe ohne Spurwechsel auf dem linken Fahrstreifen. Die Fahrer wechseln fleissig auf die rechte Spur, wenn ihr Tempo halbwegs mit dem dieser Spur übereinstimmt. Deutsche verhalten sich im Übrigen im Ausland nicht anders als zuhause. Drei Spuren, man nimmt die mittlere. Auch wenn die rechte Spur frei ist. Wird man demonstrativ rechts überholt, ignoriert man das geflissentlich und fährt einfach weiter. Unfassbar…
Aber nicht nur die Sicherheit ist ein Faktor, weswegen ich weiterhin für die Einführung eines deutschlandweiten Tempolimits auf Autobahnen von 130 km/h bin. Auch die Umwelt spielt eine wichtige Rolle. In der Schweiz zeigte mir mein Boardcomputer einen Durchschnittsverbrauch von rund 7,3 Litern auf 100 Kilometer an. Ein recht guter Wert, bedenkt man, dass in meinem Fahrzeug ein Aggregat mit 1,8 Litern Hubraum und 140 PS arbeitet. Benziner, wohlgemerkt. Das entspricht ziemlich genau dem Wert, den Opel für mein Fahrzeug als Durchschnittsverbrauch auf Autobahnen angibt. In Deutschland ist daran gar nicht zu denken. Ich soll langsamer fahren? Bin ich. Mein Tempomat war die ganze Fahrt über auf ca. 120 km/h eingerastet. Aber die Geschwindigkeit lässt sich leider nicht halten. Wenn von hinten weiter oben genannter Herr mit 250 km/h aufgefahren kommt, bleibe auch ich nicht ruhig und ziehe, wenn möglich, auf den Fahrstreifen weiter rechts. Danach heißt es wieder beschleunigen, weil ich nur ungern mit 80 km/h hinter dem nächstbesten LKW kleben möchte. Und das kostet Sprit. Und nicht zu wenig. Auf den rund 600 km Strecke von der Schweizer Grenze nach Wolfenbüttel hat sich mein Durchschnittsverbrauch (vorher gemittelt auf ca. 2.000 km) von 7,4 auf 7,6 Liter erhöht. 20 Prozent der Strecke haben den Durchschnittsverbrauch also um 0,2 Liter erhöht, obwohl ich keinen Deut schneller gefahren bin als noch in der Schweiz. Und in der Schweiz musste ich auch mal die eine oder andere Bergstraße nehmen, weil keine direkte Autobahnverbindung ins Tessin existiert, wenigstens nicht von Genf aus. Außerdem bin ich einige Kilometer in Städten unterwegs gewesen, wo der Verbrauch naturgemäß etwas höher liegt, weil viel häufiger angefahren werden muss als auf Autobahnen. Außerdem kam noch ein rund einstündiger Stau vor dem Gotthard-Tunnel hinzu, der meine Spritbilanz eigentlich hätte verschlechtern müssen. Ich mutmaße aber auch, dass es mit den Straßenbelägen in Deutschland zu tun hat. Wenn der Belag einen höheren Reibwiderstand bietet, erhöht sich natürlich auch automatisch der Spritverbrauch.
Interessant ist, dass die CDU beispielsweise im Rahmen ihres Wahlprogramms die Einführung eines deutschlandweiten Tempolimits rigoros ablehnt. Genaue Gründe werden dafür aber nicht genannt. Und, ich bin absolut kein Profi, aber mir kann niemand erklären, dass die Unfallzahl und der Schadstoffausstoß nicht massiv sinken würde, würde man ein generelles Tempolimit auf Autobahnen einführen. Auch wenn ich immer wieder entsprechend lautende Aussagen lese und höre. Das kann einfach nicht stimmen. Oder übersehe ich etwas kapitales? Gestern erst habe ich mitten in der Nacht auf der gegenüberliegenden Autobahn ein auf dem Dach liegendes Fahrzeug gesehen. Die Straßen waren frei und trocken, aber es gab kein Geschwindigkeitslimit. Entweder ein technischer Defekt, oder aber absolute Selbstüberschätzung des Fahrers.
Damit aber nicht genug: damit die Tempolimits eingehalten werden, müssten auch die Bußgelder massiv angehoben werden. Die Auswirkungen eines solchen Verhaltens kann man in den genannten Nachbarländern sehen. Kaum einer fährt merklich zu schnell. Was mir allein letzte Nacht an massiven Übertretungen der geltenden Tempolimits vor die Augen gekommen ist, konnte ich einfach nicht glauben. Baustelle, 80 km/h war Limit, ich fuhr etwas drüber. Da überholt mich ein Fahrzeug, alter Golf II, mit geschätzten 130 km/h. In den Nachbarländern beinahe unvorstellbar, in Deutschland leider die Regel. Ich gebe zu, ich fahre in Deutschland auch immer etwas schneller als es eigentlich erlaubt ist. Aber trotzdem kenne ich Grenzen, die ich auch nicht überschreite. Ich fahre nun rund 10 Jahre Auto und habe noch keinen einzigen Punkt in Flensburg, und das soll auch so bleiben. Wenn ich aber manchmal auf der Autobahn sehe, mit welcher Dreistigkeit Tempolimits missachtet werden, wird mir ganz anders. Diese Limits sind ja nicht dazu da, um die Autofahrer zu ärgern, sondern um sie zu schützen. Wenn man in einer Zone mit 100 auf einmal von einem dicken BMW-Kombi mit rund 180 Sachen überholt wird, da kann ich einfach nur den Kopf schütteln.
Jetzt kommen natürlich die Berufsfahrer und Pendler, die dann deutlich länger auf den Straßen unterwegs wären, weil sie eben keine 180 km/h oder schneller mehr fahren können. Absoluter Quatsch meiner Meinung nach. Durch geringere Durchschnittsgeschwindigkeiten gibt es weniger Unfälle und Baustellen, weil der Straßenbelag langsamer abgenutzt würde. Dadurch entstehen im Mittel deutlich kürzere Fahrtzeiten, was sicherlich erstrebenswerter ist als an einem Tag mal 10 Minuten schneller da zu sein. Denn, höhere Zeitersparnisse erreicht man im Allgemeinen nicht, wenn man mal zwischendurch 5 — 10 Kilometer lang 250 fahren darf. Und, sind wir mal ehrlich, zu den Stoßzeiten kann man Geschwindigkeiten jenseits der 100 km/h auf den meisten Straßen ohnehin vergessen. Der Unterschied liegt doch hauptsächlich darin, dass genau diese Menschen dann außerhalb dieser Zeiten ihrem Hobby, dem Gasgeben, nicht mehr frönen könnten. Und dann kommt wieder der alte, abgedroschene und vollkommen inhaltsfreie Spruch “Freie Fahrt für freie Bürger”. Sind unsere Nachbarländer nicht frei? Himmel… jedes Mal, wenn jemand mit diesem Spruch daher kommt, ist er entweder BILD-Leser oder anderweitig verquer im Kopf.
Resumé: Unsere Parteien sollten endlich aufhören, den Lobbyisten wie dem ADAC oder der BILD entgegenzuarbeiten und ein deutschlandweites Tempolimit durchdrücken. Außerdem sollten die Bußgelder massiv angehoben werden. Ich sehe es als Fakt an, dass dadurch sowohl die Anzahl der schweren Unfälle als auch der Spritausstoß, und die damit verbundene Umweltbelastung, deutlich reduziert werden können. Andererseits vermute ich aber leider, dass gerade wegen des geringeren Schadstoffausstoßes kein generelles Tempolimit eingeführt wird, da dadurch vermutlich massive Einbrüche in den Einnahmen über die Ökosteuer zu verzeichnen wären. Das würde auch erklären, neben dem Wahlkampf aktuell, wieso die großen Parteien sich so dagegen sperren. Eine Verschwörungstheorie? Totaler Quatsch? Andere Meinung? Gleiche Meinung? Ich freue mich über Kommentare. Und danke fürs Lesen dieses Romans. Das musste einfach raus…