Vielleicht kennt ihr das auch, ihr seid etwas bewanderter in der Thematik Computer und werdet von Zeit zu Zeit immer wieder gefragt “Woher bekomme ich eigentlich Programm XY?”. Meine Standardantwort lautet mittlerweile “Bei amazon.de oder auf der Herstellerhomepage.” Zumeist die Standardreaktion darauf ist “Ja, aber da kostet das doch Geld.”. Ach, wirklich? Natürlich kostet das Geld. Gleiches passiert natürlich auch gern bei Filmen, Musik, Computerspielen und weiteren digitalen Inhalten. Die Mentalität vieler, für digitale Inhalte, egal welcher Art, kein Geld zahlen zu wollen kotzt mich mittlerweile richtig an. Liegt vielleicht auch daran, dass ich wenigstens bei Software mittlerweile halbwegs abschätzen kann, wie viel Zeit es kostet, diese zu entwickeln. Dass man dafür Geld haben möchte ist doch vollkommen verständlich, oder?
Aufmerksam bin ich gerade wieder auf das Thema geworden, weil ich heute gelesen habe, dass mittlerweile Raubkopien von rund 5.000 iPhone-Applikationen auf einschlägigen Seiten im Netz kursieren. Es war natürlich nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Plattform von den Raubkopierern belegt wird. Aber mal ehrlich: ist es nötig bei Preisen, die im Normalfall zwischen 0,79 € und 3,99 € liegen, Raubkopien zu verwenden? Kann jemand, der ein iPhone besitzt wirklich so arm sein, dass er sich keine 79 Cent leisten kann? Dann sollte er vielleicht kein iPhone verwenden, und das Geld in wichtigere Sachen investieren.
Wenn man mal einen Blick auf die Raubkopiererszene im PC-Bereich wirft, sieht man, was das für Früchte trägt: es werden Anti-Kopierschutzmaßnahmen entworfen, die im Zweifelsfalle das halbe Betriebssystem ausknipsen. Wenn sich dieses Problem auch auf der Apple-Plattform manifestiert, wird Apple zum Schutz der Entwickler irgendwann ernst machen und die Plattform komplett dicht machen müssen. Und das wäre wirklich ärgerlich. Zu verdanken hätten wir es dann dem asozialen Teil der Bevölkerung, der der Meinung ist, dass es vollkommen ok sei, Software zu kopieren.
Versteht mich nicht falsch: es gibt tatsächlich Bevölkerungsgruppen, bei denen ich absolutes Verständnis dafür habe, dass die Software raubkopieren. Schüler beispielsweise, Arbeitslose mit Hartz IV. Denen fehlt das Geld wirklich, um es in digitale Inhalte zu stecken. In den meisten Fällen wenigstens. Aber jeder, der einer geregelten oder selbstständigen Tätigkeit nachgeht, sollte sich den Kauf eines Films, eines Musikalbums oder eines Spiels wohl gerade noch so erlauben können. Leider sitzt die Einstellung in den Köpfen vieler Leute so tief, für digitale Inhalte einfach kein Geld bezahlen zu wollen, dass mir immer absolutes Unverständnis entgegengebracht wird, wenn ich die Frage in den Raum werfe, ob es nicht möglich ist, 9,99 € für ein Album zu bezahlen oder 30,- € für ein Computerspiel (die richtigen Quellen, beispielsweise eBay UK, vorausgesetzt). “Wieso, ich kann es doch auch kostenlos kriegen.” Furchtbar. Bei diesen Beträgen zu Raubkopien zu greifen entzieht sich meiner Verständnis. Wenn ein Student für eine Anwendung für eine Vorlesung braucht, die selbst in der Studentenversion, so diese überhaupt existiert, mehrere Hundert Euro kostet und diese kopiert, dann kann ich das verstehen. Nicht verstehen kann ich die Hersteller an dieser Stelle, da denen klar sein sollte, dass nur wenige Studenten mehrere Hundert Euro für Software locker machen können. Für vieles findet man mittlerweile kostenlose Alternativen, bei Anwendungen wie 3ds Max wird es hingegen eher schwer. Klar, da gäbe es Blender, aber wenn für ein Labor explizit das 3ds Max gefordert wird, kann ich durchaus nachvollziehen, dass bestimmt 99 % der Studenten zu Raubkopien greifen, was nicht heißt, dass ich es befürworte, aber verstehen kann ich es.
Vielen scheint absolut nicht klar zu sein, dass gerade kleine Softwarestudios, Musiker und Filmemacher auf das Geld aus den Verkäufen angewiesen sind. Natürlich verdienen meist auch andere ordentlich mit, was aber nichts daran ändert, dass diesen Künstlern das Geld nachher fehlt, um weiter zu machen, was die kreative Vielfalt am Markt stark einschränkt und beispielsweise im Musikbereich zu Auswüchsen wie “Deutschland sucht den Superstar” führt. Individuelle Kreativität zahlt sich irgendwann nicht mehr aus und wird eingestampft, was irgendwann zu einem noch schlimmeren Einheitsbrei führt, als wir ihn jetzt schon haben. Noch gibt es unabhängige, die mit ihrer Kreativität Geld verdienen wollen, noch… Wenn sich in den Köpfen der Leuten nicht bald etwas ändert, werden wir noch Ewigkeiten auf die digitale Revolution warten müssen und kostspielige Innovationen wie digitales Kino und volldigitales Fernsehen werden erst in sehr ferner Zukunft realisiert, weil immer das Damoklesschwert der Raubkopierer über solchen Investitionen schwebt. Denn sobald Medien in Nullen und Einsen geliefert werden, wird das Kopieren leichter und die Kopien qualitativ hochwertiger.
Dass den großen Kinoketten die Besucher ausbleiben, ist aufgrund der stark anwachsenden Raubkopiererszene kein Wunder. Teilweise tragen diese natürlich auch selbst die Schuld daran, rund 8,- € für eine Kinokarte finde ich schon ganz schön frech, zumal Popcorn und Getränk meist weitere 5,- bis 7,- € Aufpreis verursachen. Wenn ein Kinobesuch bis zu 15,- € pro Person kostet, überlegen es sich natürlich viele, die Filme lieber herunter zu laden und auf dem heimischen Großbild-TV zu genießen, da man sich dort auch der 30-minütigen-Werbeberieselung entziehen kann. Nachvollziehbar, aber dumm. Denn auch hier bleiben individuelle Kreative auf der Strecke, die großen Studios können solche Ausfälle zumeist kompensieren.
Ich könnte jetzt noch viele weitere Beispiele aufführen, möchte es aber dabei belassen. Mein Resümee: Die nette Einblendung vor einem jeden Kinofilm, dass Raubkopien auch Diebstahl am eigenen Geldbeutel sind, stimmt absolut. Aber nicht nur das, es schränkt auch die mediale Vielfalt ein, Neuproduktionen können häufig nur noch von großen Studios betrieben werden, Innovationen bleiben zu oft auf der Strecke. Also liebe Leute, schaut doch mal in eure Geldbeutel und prüft, ob ihr nicht vielleicht doch 20,- bis 30,- € im Monat für digitale Inhalte aufbringen könnt. Kein arbeitender Mensch hat im Allgemeinen die Zeit, sich 10 Filme, 40 neue iPhone-Anwendungen und 20 neue Videospiele im Monat reinzuziehen. Ein wenig mehr Selektion beim Konsum und schon können jede Menge Originale die heimischen Regale und Festplatten zieren. Außerdem hat man das Gefühl, etwas gutes getan zu haben. So geht es mir wenigstens…
4 Antworten zu “Die Raubkopier-Problematik”
Wow, riesiger Artikel 😮 mir geht es übrigens ähnlich wie dir, aber auch erst seitdem ich zum ersten Mal einschätzen konnte, wieviel Mühe eine gute Software wirklich macht.
Ich finde aber trotzdem, dass du es etwas zu einseitig siehst (sei mir bitte nich bôse^^). Einen großen Teil — vielleicht sogar den größten — sehe ich in der Politik der Verkäufer. Ähnlich wie der Streit der GEMA mit YouTube haben Musikvideos sogar einer Studie nach (aus dem Kopf: Quelle basicthinking) den Künstlern mehr Gewinne als Verluste eingebracht. Ein Verbot wird es den Künstlern also nur schwieriger machen. Eine ähnlich sture und dämliche Politik verfolgt Adobe — zum einen wie du schon richtig bemerkt hast auch mit den zu hohen Preisen sogar bei den Studentenversionen — so wie z.B der Tatsache, dass deren Produkte in Deutschland unverhältnismäßig mehr Geld kosten als in den USA, was in den Maßen nicht nur am Zoll liegen kann. Das würde zumindest teilweise den Raubkopiererstrom in Deutschland erklären, für die USA gilt dieser Ansatz nicht.
Auch bei iPhone Apps seh ich es etwas anders. An dieser Stelle gibt es eine der wenigen Erklärungen der Raubkopiererorganisationen, die ich tatsächlich für sinnvoll erachte: diese behaupten nämlich, sie wollten den Usern die Möglichkeit geben, die Apps kostenlos zu TESTEN. Eine durchaus lobenswerte Idee, wenn man bedenkt, dass es im AppStore garantiert für jeden Zweck mindestens 5 Apps von verschiedenen Herstellern gibt und man nicht alle kaufen möchte, um das für sich passende zu finden. Oder viele Apps sind extrem verbuggt! Sowas will man ja auch nicht. Ich zB habe mir Monopoly gekauft (7,99€) und komme nicht weiter als bis zum Begrüßungsbildschirm, wonach das Game abkackt. Dass sich die Leute hinterher vorbehalten, das Programm legal zu kaufen, ist eine andere Sache. Ich zumindest würde nur ungern auf die konstante, schnelle und einfache Updatemöglichkeit des Original AppStores verzichten. Eine Geld zurück Garantie oder sowas Ähnliches könnte bestimmt so manchen Raubkopieuser davon abhalten, gecrackte Programme zu laden.
Puh, was ein Kommentar^^
@wired Apps zu cracken und ohne Einwilligung des Entwicklers zu “vertreiben” ist auch nicht mal ansatzweise in Ordnung. Wenn es keine Möglichkeit gibt (z. B. Light-Version) ein Programm vorab zu testen, dann gibt es diese Möglichkeit eben nicht. Das ist eine Entscheidung des Entwicklers und des Vertriebs. Wenn Dir ein Autohändler eine Probefahrt verweigert, dann brichst Du ja auch nicht nachts ein und schnappst Dir ein Auto. Oder?
Sollte ein Programm aus dem AppStore nicht erwartungsgemäß funktionieren, kannst Du das Problem bei Apple melden und Dein Geld zurück erhalten. Siehe auch fscklog. Das ist zugegeben noch etwas umständlich.
Glaubst Du wirklich, dass eine nennenswerte Anzahl derjenigen die sich raubkopierte Software besorgen, diese nur zum Test benutzt?
eben hier liegt das Problem, in den Entscheidungen des Vertriebs und Entwicklers. Wenn mir der Autohändler die Probefahrt verweigert, kaufe ich mir das Auto eben nicht, zumindest nicht bei besagtem Autohändler. Damit wären wir wieder da, wohin ich in meinem letzten Kommentar hinauswollte: die Politik der Verkäufer / Publisher / was auch immer ist beschissen. Das Auto fahre ich dann halt bei einem Freund probe oder bei einem anderen Autohändler oder… Wenn du in einen stinknormalen Einkaufsladen gehst, wird es dort fast überall Testartikel geben: Parfüme, Musik-CDs, Bücher, PCs, … eigentlich für alles bis auf vielleicht Lebensmittel und Hygieneartikel..
@wired.: Ich kann deine Argumentation durchaus nachvollziehen, dennoch ist und bleibt es nicht in Ordnung, Software, und sei es nur zum Testen, zu kopieren. Zumal sicherlich viele sich nach dem “Test” denken: ach, wieso denn jetzt noch Geld ausgeben? Ich habe die Software doch bereits.
Apple sollte viel lieber die Entwickler dazu verpflichten, alle Anwendungen ab einem bestimmten Preis, sagen wir 1,59 EUR, eine Lite-Version Ihrer App anzubieten. Also eine kostenlose Demo, die dann meinetwegen auch nach zwei Wochen oder so ihren Dienst einstellt. Denn zumeist ist genau das das Argument der Raubkopierer: ich schau mir die Software erst mal an, wenn ich sie nach ein paar Wochen noch verwende, kaufe ich sie. Doof ist nur, dass gerade Spiele nach zwei Wochen zumeist bereits durchgespielt sind. Dem Entwickler geht dadurch Geld flöten und irgendwann werden Apple und die Entwickler ähnlich harsche Anti-Raubkopiermaßnahmen einleiten, wie es die Spieleindustrie bei PC-Titeln tut. Lasst uns hoffen, dass es bei der Apple-Mobil-Plattform nie so weit kommen muss.
Cracken fällt als probates Mittel zum Test definitiv aus. Lieber eine Verpflichtung zu Lite-Versionen einführen. Mein Appell an Apple.